Späte Erkenntnis

BAföG-Reform geplant

12.08.2021 | Seit 50 Jahren gibt es das Bafög in Deutschland - und damit finanzielle Unterstützung für Studierende, Schüler*innen und Auszubildende. Das BAföG ist ein zentrales Instrument zur Durchsetzung von Chancengleichheit beim Hochschulzugang und im Studium. Eine angemessene BAföG-Reform wurde auch in dieser Legislaturperiode nicht durchgesetzt.

Das BAföG soll jungen Menschen unabhängig von den finanziellen Voraussetzungen des Elternhauses Studium und Ausbildung ermöglichen. Es soll die hohe Selektivität des Deutschen Bildungssystems ausgleichen. Jahrzehntelang wurde dem Gesetz durch verschiedene Bundesregierungen hart zugesetzt: von der faktischen Abschaffung der Schüler*innenförderung, zwischenzeitlichen Umwandlung in ein Volldarlehen, über die jahrelang versäumte Anpassung der Förderhöhe an reale Bedarfe, bis zur historisch niedrigen Förderquote von unter 11% aller Student*innen im Jahr 2021. 2021.

Die IG Metall Jugend mahnt seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen Akteuren im sogenannten „BAföG-Bündnis“ eine echte Reform an. Eine solche Reform muss aus Bündnissicht unter anderem folgende Punkte beinhalten:

  • Rückkehr zum Vollzuschuss: der Verschuldungszwang ist einer der Hauptgründe, kein BAföG zu beantragen oder erst gar kein Studium aufzunehmen. 
  • Anpassung der Fördersätze an die Realität: Der BAföG Höchstsatz liegt weit unter dem tatsächlichen Bedarf. Geldsorgen stehen erfolgreicher Bildung im Weg. die Sätze müssen deshalb sofort massiv angehoben werden und automatisch alle zwei Jahre angepasst werden.
  • Flexibler & realistischer Wohnkostenzuschuss:  Mieten sind nicht überall gleich. Wohnpauschalen müssen deshalb dem örtlichen Bedarf entsprechen.
  • Erhöhung der Elternfreibeträge: Durch zu niedrige Elternfreibeträge erreicht das BAföG Menschen aus den unteren und mittleren Mittelstandsschichten nicht, die es dringend nötig hätten. Bis das System familienunabhängig aufgestellt ist, müssen die Elternfreibeträge massiv und relational zu Mittelstandseinkommen erhöht werden, um die Förderquote wieder deutlich anzuheben.
  • Unabhängigkeit vom Aufenthaltsstatus: wer in der BRD lernt, muss auch gefördert werden können. BAföG muss deshalb für alle zugänglich sein. Egal, was auf ihrem Pass steht.
  • Unabhängigkeit von Regelstudienzeit und Abschaffung der Leistungsnachweise: Bildungsbiografien sind heute sehr unterschiedlich. Viele studieren de facto in Teilzeit. Für selbstbestimmte Bildung müssen diese Einschränkungen weichen.
  • Digital- & Lernmaterialpauschale: zusätzlich zur Förderung braucht es eine bedarfsgerechte Pauschale für elektronische Geräte, Literatur etc.

Und was macht die Bundesregierung? Eher nichts. Die letzte größere Änderung des BAföG war im Jahr 2014. Seitdem wurden die Bedarfssätze und Freibeträge zwar angepasst, den tatsächlichen Bedarf der Studierenden entsprachen diese kosmetischen Änderungen nie. Vor allem die Corona-Krise mit ihren Auswirkungen auf die Studierenden hat die strukturellen Probleme des BAföG sichtbar gemacht.

Während die Wissenschaftsministerin in zahlreichen Interviews die Corona-Hilfen des Bundes lobte, wiesen nicht nur wir als Gewerkschaft auf die strukturelle Finanzierungslücke bei Studierenden hin. Auch die Studierendenwerke bestätigten diese Tatsache. Anstatt das BAföG anzupassen und zu öffnen, entschied sich die Bildungsministerin für eine andere Lösung: eine höhere Verschuldung Studierender durch die Aufnahme von Krediten. Ein Skandal, wenn man bedenkt, dass im Haushalt veranschlagte BAföG-Mittel zu großem Teil dorthin zurück flossen.

Vor dem Hintergrund der Verweigerung einer substanziellen BAföG-Reform, die echte Chancengerechtigkeit ermöglicht, erscheinen aktuelle Ankündigungen aus dem Bildungsministerium eher als Wahlkampfmanöver. Wenn Ministerin Karliczek jetzt feststellt, dass „wir in der neuen Wahlperiode eine Weiterentwicklung des Bafög brauchen“ sagt das einiges über die Wertschätzung gegenüber Schüler*innen und Studierenden aus. Diese Weiterentwicklung ist seit Jahren notwendig. Es bleibt immerhin zu hoffen, dass kommende Bundesregierung den Mut hat, eine echte Reform auf den Weg zu bringen.