Erfahrungsbericht

Werkstudierende arbeiten häufig nur einen oder zwei Tage pro Woche in einem Industrieunternehmen. Was passiert aber, wenn sie genau an  diesem Tag krank werden? Haben sie ein Anrecht auf Urlaub? Und welches Gehalt steht ihnen überhaupt zu? Ein gut bezahlter Wochenend- und Ferienjob in der Industrie? Das ist für viele Studierende eine attraktive Option zur Finanzierung des Lebensunterhalts. Denn hier kollidieren die Arbeitszeiten nicht mit Lehrveranstaltungen oder Prüfungen. Die Wochenendarbeit lockt mit lukrativen Zuschlägen, die einen Zweitjob unnötig machen. Und wie nebenbei können die Studierenden wertvolle Praxis Erfahrungen sammeln.

Auch Franka Meyer, die ihren echten Namen hier nicht lesen möchte, hatte zu Studienbeginn im Freundeskreis von dieser Möglichkeit gehört. Drei Jahre lang bewarb sie sich daraufhin immer wieder als Werkstudentin in einem Automobilunternehmen, bis sie dann zunächst im Sommer aushelfen und schließlich in der Vorlesungszeit weiterarbeiten durfte. Statt wie ihre Kommilitonen auf Partys zu gehen, malocht die Studentin hier inzwischen schon seit mehreren Jahren jeden Samstag und jeden Sonntag in der Endproduktion: Wie das Stammpersonal ist sie auch dafür zuständig, Produkte zu kontrollieren, zu verpacken und zu sortieren.In der vorlesungsfreien Zeit darf Franka bis zu 35 Stunden pro Woche als Werkstudentin arbeiten, wenn der Arbeitgeber ihre Unterstützung benötigt. Im Semester sind laut Vertrag bis zu 19 Stunden pro Woche möglich. In  der Praxis verbringt Franka an jedem Wochenende 15 Stunden im Betrieb.

"Der Chef verlangt, dass wir immer kommen. Deshalb habe ich mir nie freigenommen, außer vielleicht mal an Ostern. Gerade in den Praxisphasen war das manchmal ganz schön hart, weil ich dann sieben Tage pro Woche arbeiten musste", erzählt die Studentin. Urlaub hatte Franka in all den Jahren nicht. Und wenn sie krank war, ging sie trotzdem zur Arbeit. Denn für sie war klar: Wenn ich nicht arbeite, bekomme ich keinen Lohn. Und dann reicht das Geld nicht zum Leben. Erst jetzt, kurz vor Ende ihres Studiums, stellt Franka fest, dass das ein Irrtum war. "Vor ein paar Monaten haben andere Werkstudenten versucht, ihre Krankmeldungen beim Arbeitgeber einzureichen. Als der Chef sie nicht annahm, gingen sie in das Gespräch mit dem Betriebsrat und der IG Metall. Dort erfuhren sie, dass Werkstudierende die gleichen Rechte wie alle anderen Arbeitnehmer  haben und dafür auch eintreten sollten", berichtet Franka, die genau deshalb ihre Geschichte erzählt:

"Natürlich hat jeder von uns Angst um seinen Job, weil unsere Existenzen davon abhängen. Aber gemeinsam trauen wir uns, den Mund aufzumachen." Natürlich haben Franka und ihre Kommilitonen Grund genug, sich gegen eine Ungleichbehandlung im Betrieb einzusetzen. Denn auch die Arbeitgeber profitieren davon, wenn Werkstudierende in den Fabriken ihre Schichten schieben. Sie können die Studierenden fest in ihre Arbeitsabläufe einplanen und müssen keine Sozialabgaben für sie zahlen. Dass viele Vorgesetzte schon seit Jahren versuchen, diese günstigen Arbeitskräfte dennoch um ihre selbstverständlichen Rechte zu bringen, ist also ziemlich frech.

Das weiß auch Mario Wolf von der IG Metall Mittelhessen, der sich für eine  Gleichbehandlung von Werkstudierenden einsetzt: "Die Rechtslage ist klar: Aushilfen und Ferienjobber, die neben dem Studium wenige Stunden arbeiten gehen, sind ganz normale Mitarbeiter. Natürlich haben sie damit auch ein Recht auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall", sagt er. Allerdings komme es tatsächlich vor, dass die Betriebsräte und die IG Metall-Vertrauensleute eingreifen müssen, um Werkstudierende vor einer  Schlechterbehandlung zu schützen: "In einem Fall hat ein Vorgesetzter sogar ein ärztliches Attest zerrissen, das ihm von einem Werkstudierenden vorgelegt wurde".

Klar ist auch, dass Studierende die durch die Krankheit versäumten Stunden nicht an einem anderen Tag nacharbeiten müssen – zumindest wenn sie in einem tarifgebundenen Betrieb tätig sind. "Der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall besteht nach IG Metall-Tarifvertrag zum Teil sogar ab dem ersten Arbeitstag", sagt Mario Wolf. Übrigens gilt auch in Sachen Bezahlung: Gleiches Recht für alle! Auf einen festen Stundenlohn müssen sich die Studierenden in tarifgebundenen Betrieben also nicht einlassen. Denn sie haben wie alle anderen Arbeitnehmer*innen das Anrecht auf eine Eingruppierung ins Entgeltsystem und die Auszahlung von Schichtzulagen.

Und auch bezahlte Urlaubszeiten stehen Werkstudierenden zu, obwohl viele Vorgesetzte das Gegenteil behaupten: "Die Tarifverträge geben klar Auskunft dazu, wie viele Urlaubstage den Mitarbeitern zustehen, auch wenn sie geringfügig beschäftigt sind. Wir hatten inzwischen schon Fälle, in denen Mitglieder ihre Ansprüche rückwirkend geltend machen konnten", sagt Mario Wolf. Wenn Werkstudierende ihren Urlaubsanspruch nicht nutzen wollen, können sie sich das Geld auszahlen lassen. In einigen Betrieben bieten Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute inzwischen Informationsveranstaltungen an, in denen sie Werkstudierende über ihre Rechte aufklären. Teilweise gehen die Gewerkschafter auch an die Hochschulen, um Studierende in Kooperation mit den Allgemeinen Studierendenausschüssen zu Themen des Arbeitsrechts zu informieren. "Wichtig ist aber auch, dass die Studierenden sich selbst Informationen einholen und auch die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen im Betrieb", betont Mario Wolf. Wenn Werkstudierende Mitglied der IG Metall sind, werden sie übrigens von den Betriebsräten und IG Metall- Vertrauensleuten im Streitfall bis vor das Arbeitsgericht begleitet.