"Ich baue auf eine enge Zusammenarbeit mit der IG Metall"

09.02.2022 | Carsten Schneider, Ostbeauftragter der Bundesregierung, spricht im Interview über die Zusammenarbeit mit der IG Metall. Gemeinsam könne man die "Mammutaufgabe des Umbaus der Industrie" bewältigen.

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Herr Staatsminister, herzlichen Glückwunsch zur Berufung zum Ostbeauftragten der Bundesregierung. Was haben Sie sich für ihre Amtszeit vorgenommen?

Über 30 Jahre nach der Wende sind die Folgen von Deindustrialisierung und Abwanderung immer noch an vielen ausblutenden Regionen zu erkennen. Ich will Innovationen und Zukunftstechnologien insbesondere in Ostdeutschland angesiedelt sehen. Dafür werde ich mich einsetzen.

Die Transformation stellt viele Betriebe und Regionen im Osten vor große Herausforderungen. Was wird die neue Bundesregierung tun, damit die Transformation gelingt und Industriearbeitsplätze gesichert werden?

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag wichtige Weichenstellungen für eine klare Entwicklungsrichtung des Landes getroffen und ihre Vorhaben für diese Legislaturperiode beschrieben. Wir wollen unter anderem zahlreiche Förderprogramme fokussieren, um die Transformation in den Betrieben und Branchen, aber auch in Zukunftsfeldern, bspw. der Produktion von grünem Wasserstoff, voranzutreiben.

Machen wir es ganz konkret: Wie wird das Betrieben und Branchen in Ostdeutschland helfen?

Wirtschaft und Gesellschaft wissen jetzt, wo es hingehen soll. Die Klarheit in der industriepolitischen Entwicklung ist gerade auch für Ostdeutschland wichtig: Ansiedlung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben können nun viel entschiedener vorangetrieben werden. Die vorhandenen, gut ausgebildeten Fachkräfte, müssen auch ordentliches Geld verdienen, dem Arbeits- und Fachkräftemangel muss gezielt entgegengewirkt werden. Dazu gehören neue Qualifizierungsangebote und geeignete Förderprogramme, die die Ansiedlungspolitik in prosperierenden, aber auch ländlichen Regionen unterstützen.

Wird aus der Theorie auch Praxis? Sind sie optimistisch?

Ja klar, wir werden uns gemeinsam für die Zukunft aufstellen. Zwar liegen vor uns große Herausforderungen, aber, wenn wir entschieden an unseren Vorhaben dranbleiben, können wir es schaffen. Dafür danke ich ausdrücklich den Gewerkschaften. Die Themen Mitbestimmung und Tarifbindung sind in Ostdeutschland entscheidend. Denn eines dürfen wir nicht vergessen: nachhaltiges Wirtschaftswachstum und gute Lebensbedingungen gehören zusammen.

Das sehen wir als Gewerkschaft auch so. Wir würden sogar sagen, dass gute Lebensbedingungen Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaft sind. Können Sie das unterschreiben?

Nur wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gute Arbeits- und Lebensbedingungen in den ostdeutschen Regionen vorfinden, werden auch die jungen Menschen bleiben oder wiederkommen. Und gerade sie brauchen wir dringend für einen gelingenden Transformationsprozess. Der demografische Wandel ist ja gerade in Ostdeutschland auch eine Folge der Transformation der Home Politik Perspektive Ost Nachwendezeit, wo viele Junge Ostdeutschland wegen fehlender Perspektiven den Rücken gekehrt haben. Das darf nicht wieder passieren.

Was muss die Politik jetzt genau tun, damit das diesmal nicht wieder geschieht?

Die Politik wird die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, handeln müssen aber auch die die Unternehmen. Die demographische Entwicklung gerade in Ostdeutschland ist die größte Gefahr für Wachstum und Wohlstand. Die Flächenländer in Ostdeutschland werden zwischen 3 bis 11 Prozent ihrer Bevölkerung verlieren. Der Arbeits- und Fachkräftemangel wird daher zunehmen. 38 Prozent der Fachkräftestellen blieben bereits 2020 in Ostdeutschland unbesetzt. Wenn wir dieser Entwicklung entgegenwirken wollen, werden die Unternehmen attraktivere Arbeitsbedingungen mit mehr tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnissen zur Verfügung stellen müssen.

Wie will die Bundesregierung das konkret unterstützen?

Wir werden die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro in diesem Jahr umsetzen. Ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Lohn- und Altersarmut. Die Erhöhung des Mindestlohns wird überwiegend den Beschäftigten in Ostdeutschland zu Gute kommen. Die Löhne liegen im Osten durchschnittlich um 22 Prozent unter denen in Westdeutschland. Ostdeutschland als Niedriglohnregion, das ist mehr als 30 Jahre nach der Einheit keine Perspektive für eine gute wirtschaftliche und soziale Entwicklung Ostdeutschlands. Wir müssen deshalb auch mehr Tarifbindung erreichen. Das ist vorrangig Aufgabe der Gewerkschaften, aber wir werden das aus dem Kanzleramt unterstützen und begleiten. Das Lohndumping im Osten muss endlich beendet werden.

Welche Rolle spielen Gewerkschaften für Sie bei der Transformation?

Ich baue auf eine enge Zusammenarbeit und den Dialog mit den Gewerkschaften insgesamt, besonders aber mit der IG Metall und ihren Betriebsrätinnen und Betriebsräten. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Transformation gelingt und fair und sozial gestaltet werden kann. Das ist auch wichtig für die Stabilität unserer Demokratie. Die Gewerkschaften und ihre gewählten Arbeitnehmervertreter und Vertreterinnen in den Betrieben leisten im Übrigen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie. Sie sind Sprachrohr, aber zugleich auch Zuhörer für die großen Themen unserer Zeit, Transformation, Klimawandel, Digitalisierung, die die Menschen in den Betrieben umtreibt.

Das Interview führte das Maximilian Strötzel vom Ressort Regionale Strukturpolitik / Perspektive Ost der IG Metall Vorstandsverwaltung.