Mindestlohn und Minijobs

Gewerkschaften begrüßen Mindestlohnerhöhung – Kritik an Minijobs

01.03.2022 | Das Bundeskabinett hat am 23. Februar den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Mindestlohn zum 1. Oktober dieses Jahres auf 12 Euro angehoben wird. Zudem wird die Entgeltgrenze für Minijobs auf 520 Euro erhöht.

Foto: IG Metall

Die IG Metall und der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßen die Erhöhung des Mindestlohns. „Vor allem Beschäftigte im Gastgewerbe, im Handel und im Gesundheits- und Sozialwesen helfe die Erhöhung ungemein“, so Stefan Körzell vom DGB. Studierende im Nebenjob profitieren ebenso von der Erhöhung. „Auch auf die Konjunktur werde sich die Erhöhung positiv auswirken. Hierzulande sei mit einem Kaufkraftgewinn von rund 4,8 Milliarden Euro zu rechnen, denn ein Großteil der zusätzlichen Einkommen werde unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen.“

Als „vollkommen realitätsfern“ bezeichnete Körzell die Kritik der Arbeitgeber, die den Mindestlohn als „Staatslohn“ diskreditieren wollen. „Der einzige Staatslohn ist der Dumpinglohn, der nur mit staatlichen Zuschüssen zum Existieren reicht“, sagte Körzell. „Wir wollen Arbeitgeber, die mit uns Tarifverhandlungen für Gute Löhne abschließen. Wo das nicht geht, ist eben der Mindestlohn als unterste Haltelinie wichtig.“

Gleichzeitig kritisieren IG Metall und DGB aber, dass die Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobs künftig an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt werden soll, was einer Ausweitung prekärer Beschäftigung gleichkommt. Dazu Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall: „Die Ausweitung der Minijobs ist ein hoher Preis für 12 Euro Mindestlohn. Minijobs bedeuten Altersarmut, besonders für Frauen. Darum ist die jetzt geplante Ausweitung der Minijob-Grenze fatal. Vielmehr muss es darum gehen, die Erwerbsbeteiligung von Frauen konsequent zu erhöhen – und zwar im Rahmen von regulären, gut abgesicherten Arbeitsverhältnissen. Das ist die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben, eine auskömmliche Rente – und es stärkt die Sozialversicherungskassen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass ein dauerhafter Minijob zur Dequalifizierung führt und damit die mühsam erworbene Qualifikation mindert. Die Bundesregierung hat sich selbst das Ziel gesetzt, bis 2030 die Geleichstellung zu erreichen. Der Kabinettsbeschluss ist ein Rückschritt auf diesem Weg.“

Wie es anders gehen kann, zeigt sich im Organisationsbereich der IG Metall: Laut Daten der Arbeitsagentur ist die Vollzeitbeschäftigung von Frauen zwischen 2013 und 2020 im Organisationsbereich der IG Metall um 8 Prozent angestiegen, in der gesamten deutschen Wirtschaft nur um 5 Prozent. Die Teilzeitbeschäftigung ist um 23 Prozent angestiegen, in der gesamten Wirtschaft um 24 Prozent. Im Organisationsbereich der IG Metall ist es also stärker gelungen, Vollzeitarbeitsplätze für Frauen zu schaffen als in anderen Branchen. Ein Grund dafür sind Tarifvereinbarungen, wonach sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge immer Vorrang haben und Minijobs nur auf absoluten Wunsch der Beschäftigten zugestimmt wird.

Ver.di ruft die Bundesregierung auf, die Ausweitung der Minijobs zu stoppen. Die IG Metall unterstützt diesen Aufruf, Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender, und Christiane Benner, Zweite Vorsitzende, gehören zu den Erstunterzeichnern.

Auch den Wegfall der ursprünglich geplanten Pflicht zur Arbeitszeitdokumentation kritisieren die Gewerkschaften: „Die lückenlose digitale Arbeitszeiterfassung macht es möglich, Schwarzarbeit in besonders anfälligen Branchen einzudämmen. Einige Arbeitgeber wollen Digitalisierung offenbar aber nur dann, wenn es ihnen nützt – für eine manipulationssichere Erfassung der geleisteten Arbeit lehnen sie es ab. Das ist skandalös“, kritisierte Anja Piel, Vorstandsmitglied des DGB. „Das öffnet Tür und Tor für Betrug und Lohndumping. In Deutschland werden ohnehin schon jährlich rund 1 Milliarde unbezahlter Überstunden geleistet. So eine Verweigerungshaltung führt dann am Ende zu nichts anderem als Lohndiebstahl.“