Interview

"... gemeinsam das Beste für alle erreichen!"

Wie wir als Gewerkschaft das duale Studium besser machen werden und warum es sich auch für (dual) Studierende lohnt, Mitglied der IG Metall zu sein – ein Gespräch mit Korbinian von der IG Metall Jugend Baden-Württemberg.

Korbinian Hitthaler (24 Jahre) ist Projektmanager für Papermaking 4.0 und im Fokusteam Studierende, im Bezirksjugendausschuss und der Großen Tarifkommission der IG Metall in Baden-Württemberg aktiv.

Wie bist du zur IG Metall gekommen?

Während meines JAV I-Seminars: Ich habe mich damals zur Wahl zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) aufstellen lassen, weil ich die anderen Auszubildenden und dual Studierenden vertreten und solidarisch etwas bewegen wollte. Auf dem JAV-Seminar habe ich dann gemerkt, dass die IG Metall und ihre Mitglieder das auch wollen und tun. Damit war die Entscheidung für mich klar.

Was findest du gut an Gewerkschaft?

Das erste Mal Kontakt zur Gewerkschaft hatte ich bei einer Ansprache der IG Metall im Betrieb. Es hat mir gefallen, dass die gewerkschaftlichen Grundprinzipien auf Solidarität beruhen. Und dass nicht nur Dinge angesprochen wurden, die im Betrieb stattfinden, sondern auch große politische Themen. Ich fand die Idee gut, dass sich die IG Metall für meine Zukunft einsetzt. Aus diesen Gründen wollte ich unbedingt mitmachen. Ich mag den Zusammenhalt in der IG Metall – besonders in der IG Metall Jugend. Wir haben gemeinsame Ziele. Wir kämpfen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für mehr soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Für mich waren der solidarische Gedanke und der Ansatz, gemeinsam das Beste für alle zu erreichen, schon immer wichtig. Ich bin gern aktives Mitglied und engagiere mich in mehreren Gremien in der IG Metall. Dabei geht es vor allem um eins: Die Welt mit anderen coolen und engagierten Leuten gemeinsam besser zu machen. Das haben wir für Auszubildende und dual Studierende zum Beispiel mit unserer „Das Beste für Alle!“-Kampagne geschafft.

Warum ist es deiner Ansicht für dual Studierende sinnvoll, Gewerkschaftsmitglied zu sein?

Das Schöne ist: Die Gewerkschaft begleitet einen an jedem Punkt des Studiums. In einem dualen Studium ist man ja von Anfang an auch Beschäftigte_r. Da ist es sehr gut, dass es die Gewerkschaft gibt, die sich für meine Arbeitnehmerrechte einsetzt und im Zweifel auch dafür sorgt, dass ich zu meinem Recht komme. Mit unseren Betriebsräten und Jugendvertreter_innen stehen wir dafür ein, dass auch Studis von den guten Konditionen der IG Metall-Tarifverträge profitieren, d. h. mehr Urlaubstage sowie Sonderzahlungen. Praktisch sind zudem die Seminare, wie man das Studium besser bewältigen kann – dazu gehören auch Trainings zu Lernstrategien und Exkursionen in die Betriebe. Gegen Ende des Studiums sollte man am Seminar zur Vorbereitung auf den ersten Job teilnehmen. Beim Einstellungsgespräch fühlte ich mich dadurch sicher, weil ich wusste, was sie mich fragen dürfen und was eben auch nicht.

Darüber hinaus erfährt man über die Gewerkschaft nicht nur, welche Einstiegsgehälter für die eigene Branche vorgesehen sind, sondern sie berät auch zu den tarifgebundenen Betrieben der Region. Und bei meinem ersten Arbeitsvertrag wusste ich nach der rechtlichen Prüfung durch die IG Metall, dass ich ihn mit einem guten Gefühl unterschreiben kann.

Mir fallen tausend gute Gründe ein …

In welchen Bereichen macht sich die IG Metall aktuell im Speziellen für dual Studierende stark?

Man stelle sich vor: Man kommt in eine neue Abteilung und keiner weiß, dass man kommt und keiner weiß, was sie von einem erwarten können. Laut einer Umfrage der IG Metall Jugend Baden-Württemberg geht es 20 Prozent der dual Studierenden in ihren betrieblichen Praxisphasen so. 50 Prozent haben in der gleichen Umfrage angegeben, eher als günstige Arbeitskräfte zu dienen, als wirklich sinnvolle und lehrreiche Tätigkeiten zu verrichten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Auswahl einer Praxisabteilung eher ein Glücksspiel ist. Ob es gut oder schlecht läuft, hängt massiv von den Betreuer_innen und den Kolleg_innen ab. Für eine hochwertige Ausbildung im Betrieb ist das nicht genug. Deshalb fordern wir, die Mitbestimmung im dualen Studium zu stärken und die Qualität zu verbessern. Wir wollen Qualitätsstandards für das duale Studium – analog zur Berufsausbildung.

Was sind die konkreten Forderungen?

Wir brauchen dringend eine gesetzliche Definition des dualen Studiums mit geregelten und standardisierten Studienmodellen. Damit schaffen wir Sicherheit für dual Studierende und setzen Qualitätsstandards für eine gute Berufsausbildung.

Zudem fordern wir bundesweite verpflichtende Mindeststandards für das duale Studium im Betrieb. Ein Rahmen(lern)plan analog der dualen Ausbildung kann die unternehmerische Willkür eindämmen. Die Studienzeit (Prüfungen, Vorlesungen, verpflichtende Studienveranstaltungen) muss als Arbeitszeit gewertet werden. Dual Studierende müssen sowieso schon ein hohes Maß an Selbstorganisation aufbringen. Lernzeiten, bezahlte Freistellungen für Prüfungen und Freizeit nach Vorlesungen müssen die Regel werden.

Auch darf ein gutes duales Studium nicht vom Geldbeutel der Studierenden oder deren Eltern abhängen. Die Studien-, Immatrikulations- und Prüfungsgebühren wie auch die Lehr- und Lernmittel für das Studium müssen durch die Arbeitgeber_innen getragen werden. Dual Studierende sind nicht BAföG-berechtigt, sie erhalten in der Regel zwar eine Vergütung, gesetzlich gesichert ist dies jedoch nicht.

Und nicht zuletzt müssen die Übernahme- und Schutzregelungen im Betriebsverfassungsgesetz auf alle dual Studierenden ausgeweitet werden. Sie sind Teil der Belegschaft im Betrieb, abhängig beschäftigt und befinden sich – wie Auszubildende auch – in einer Berufsausbildung. Deshalb brauchen sie denselben Schutz wie Auszubildende, um ihre Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen aktiv mitzubestimmen und verbessern zu können.

Und auf welchen Wegen ist das zu schaffen?

Das duale Studium genießt einen guten Ruf. Die Arbeitgeber zeichnen gern das Bild der dual Studierenden als der Führungskräfte von morgen, und des dualen Studiums als besonders hochqualitative Ausbildung, die Theorie und Praxis vereinbart.

Schaut man jedoch hinter die Kulissen, sieht man schnell den Flickenteppich an unterschiedlichen Arbeitsbedingungen – geprägt von betrieblicher Praxis, Rahmenverträgen oder Betriebsvereinbarung. Es braucht eine gesetzliche Definition des dualen Studiums mit geregelten Studienmodellen. Das Berufsbildungsgesetz muss für alle dual Studierenden gelten. Dafür müssen die politischen Weichen gestellt und Entscheidungen getroffen werden.

Unser stärkstes Instrument als Gewerkschaft ist es, tarifvertragliche Regelungen durchzusetzen. Das ist unser Kerngeschäft. Damit stellen wir sicher, dass die Qualität von Arbeit und Ausbildung stetig verbessert wird. Und das ist auch der Weg, auf dem wir Rechtssicherheit für dual Studierende schaffen können. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass das duale Studium vollumfänglich in den Tarifverträgen unserer Branchen erfasst wird. Wir müssen dort Regelungen schaffen, wo sie noch fehlen und an die Regelungen für Auszubildende angleichen. Es gilt alle Lücken zu schließen und Mindeststandards für eine ganze Beschäftigtengruppe zu schaffen! Aus Tarifverträgen für Auszubildende werden Tarifverträge für betriebliche Ausbildung. Denn wir sind solidarisch und lassen niemanden im Regen stehen.